Modellprojekt Energieverbrauchsbenchmarks

Soll-/Ist-Vergleich des Energieverbrauchs zur Evaluierung und Steigerung der Effizienz von Energiesparmaßnahmen im Praxisalltag eines Wohnungsunternehmens

Ausgangslage

Ausgangsbasis ist das im Jahr 2008 abgeschlossene EU-Projekt „ESAM“, das die praktische Umsetzung von Konzepten zum energetischen Portfolio-Management in Wohnungsunternehmen zum Gegenstand hatte. In dessen Rahmen war auf deutscher Seite in Zusammenarbeit zwischen dem IWU und dem Wohnungsunternehmen Nassauische Heimstätte / Wohnstadt (NHW) eine Datenstruktur zur Erfassung der energetischen Gebäudequalität des Bestands entwickelt und in einem unternehmensinternen Prozess mit den entsprechenden Daten gefüllt worden. Diese „Energieprofil“-Datenbank enthält für jeden Gebäudeblock des NH-Bestands einen Datensatz mit energierelevanten Grunddaten (Wohnfläche, Anzahl Vollgeschosse, Anzahl angrenzender Nachbargebäude, Beheizungssituation in Keller und Dach), Informationen über den Modernisierungszustand der Gebäudehülle (Dicke und Flächenanteil nachträglicher Dämmung, Fenster-Bauart) und über die Art der Wärmeversorgung. Auf Grundlage dieser Datensätze wird der Energiebedarf nach den Rechenregeln der Energieeinsparverordnung (EnEV) ermittelt.

Energieprofil-Fragebogen (erste Seite) als Grundlage der seit 2008 gepflegten Zustandsdatenbank der Nassauischen Heimstätte Wohnstadt
© IWU

Ziele

Die vorhandenen Datenbanken bieten die Möglichkeit einer systematischen Analyse des Zusammenhangs zwischen Energieverbrauch und Energiebedarf. Ergebnis sollten Vergleichswerte für den Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser sein („Verbrauchsbenchmarks“), die differenziert nach der energetischen Qualität gebildet werden. An Hand dieser Benchmarks lässt sich der Verbrauch einzelner Gebäude in Bezug auf den erwarteten Wert einordnen. Es lassen sich damit im Bestand leicht „Ausreißer“ identifizieren mit gegenüber der Erwartung deutlich überhöhten Verbrauchswerten, die dann Gegenstand einer Überprüfung und ggf. der Durchführung von (geringinvestiven) Maßnahmen sein sollen. Weiterhin erlauben die Energieverbrauchsbenchmarks verlässliche Aussagen zur erwarteten Verbrauchsminderung bei Durchführung von energetischen Modernisierungsmaßnahmen. Im Rahmen des Modellprojekts sollte dies zunächst für ein Quartier umgesetzt werden. Im Fokus der Entwicklung standen dabei die korrekte Zuordnung der Datensätze, die konsistente Definition von Bilanzräumen, die Überprüfung der Datenqualität sowie die Entwicklung eines Werkzeugs, mit dem eine regelmäßig (jährlich) wiederholte Auswertung auch für größere Teilmengen des Bestands möglich ist.

Vorgehen

Die Umsetzung erfolgte in folgenden Schritten:

  • Export der Verbrauchsdaten Heizung und Warmwasser aus der Abrechnungsdatenbank für alle Gebäude der Stichprobe (realisiert durch MET);
  • Export der Energieprofil-Daten für alle Gebäude der Stichprobe (Monitoring-Indikatoren zum energetischen Zustand + berechneter Energiebedarf);
  • Zusammenführung der Daten in einer Excel-Arbeitsmappe: Zuordnung der Datenbankschlüssel, Überprüfung der Datenkonsistenz;
  • Vor-Ort-Überprüfung der Daten zum energetischen Zustand, zur Wärmeversorgung und zur Ausstattung mit Zählern;
  • Analyse des Zusammenhangs Verbrauch und Bedarf auf den Ebenen Gebäude (Hauseingang), Gebäudeblock und Wärmeversorgungsanlage; Ableitung von nach Gebäudezustand differenzierten Vergleichswerten für den Energieverbrauch („Energieverbrauchsbenchmarks“);
  • Ermittlung von Ausreißern (Verbrauch sehr viel höher oder niedriger als der erwartete Wert); Überprüfung der Daten sowie Vor-Ort-Überprüfung (Zustand und Betriebsführung der Wärmeversorgungsanlage und der energetisch relevanten Gebäudehülle), Umsetzung von Maßnahmen zur Verbrauchsreduzierung.
Analysiertes Quartier
Quelle: Nassauische Heimstätte Wohnstadt
© OpenStreetMap (and) contributors CC-BY-SA

Ergebnisse

Ergebnis der Analysen sind Benchmark-Tabellen und Verbrauch-Bedarf-Diagramme, die den Zusammenhang zwischen gemessenem Energieverbrauch und berechnetem Energiebedarf für verschiedene Kategorien des Energiebedarfs darstellen. Diese zeigen für die untersuchten Gebäude einen sehr ausgeprägten Zusammenhang zwischen dem gemessenen Verbrauch und dem berechneten Bedarf. Der Vergleich der energetisch schlechtesten mit den energetisch besten Gebäuden belegt die Potenziale der energetischen Modernisierung: Der gemessene Energieverbrauch für Heizung und Warmwasser betrug 2017 bei den sieben Gebäuden der schlechtesten Bewertungsklasse (hoher Energiebedarf) im Mittel 156 kWh/(m²a), bei den sieben Gebäuden der besten Klasse (niedriger Energiebedarf) lag er mit durchschnittlich 85 kWh/(m²a) um 45% niedriger. Vergleicht man den Verbrauch ohne Warmwasser wird der Unterschied noch deutlicher: Bei den drei Gebäuden der Stichprobe in der schlechtesten Bewertungsklasse lag der Mittelwert des gemessenen Heizenergieverbrauchs bei 192 kWh/(m²a), bei den sieben Gebäuden der besten Klasse bei 44 kWh/(m²a) – also um 77% niedriger.

Durch Vergleich der einzelnen Verbrauchswerte mit den so ermittelten Benchmarks konnten mehrere „Ausreißer“-Gebäude identifiziert werden - also Gebäude mit einem auffällig hohen oder einem auffällig niedrigen Energieverbrauch. Um die Ursachen zu ermitteln, fand eine vertiefte Datenüberprüfung und -analyse statt, die zu einer Korrektur von einzelnen Datenbankeinträgen und zur Änderung in der Regelung einer ineffizient betriebenen Wärmeversorgungsanlage führte.

Auf Grund der Standardisierung und Automatisierung erscheinen eine Fortsetzung dieser Analysen in den Folgejahren sowie gegebenenfalls eine Ausweitung auf weitere Teile des NHW-Bestands mit vertretbarem Aufwand möglich. Damit könnten zukünftig empirisch abgesicherte Verbrauchskennwerte als Grundlage für Investitionsentscheidungen bereitgestellt werden. Weiterhin wäre dies ein Baustein für die Ermittlung der tatsächlichen CO2-Emissionen des vermieteten Bestands und für die Entwicklung realistischer Minderungsstrategien. Den von einer Modernisierungsplanung betroffenen Mietern könnten die erwarteten Nebenkostensenkungen empirisch belegbar dargestellt werden. Im realen Betrieb besonders energieeffiziente Lösungen können ermittelt werden und als Vorbilder für künftige Modernisierungen dienen.

Zur Verbreitung der Ergebnisse wurde ein Workshop für Experten aus hessischen Wohnungsunternehmen durchgeführt, bei dem Ansatz, Vorgehen und Ergebnisse des Projekts vorgestellt und diskutiert wurden. Weiterhin wurde eine öffentliche Fachveranstaltung zur Frage des Energieeffizienz-Monitorings in Wohnungsunternehmen durchgeführt.

Zusammenhang zwischen dem gemessenen Energieverbrauch (y-Achse) und dem berechneten Energiebedarf (x-Achse) für die untersuchten Gebäude
© IWU

Bearbeitungszeitraum

Oktober 2017- Juni 2019

Projektteam IWU

Kontakt

Tobias Loga
06151 2904-53
t.loga(at)iwu(dot)de

Fördermittelgeber

  • Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen

Projektpartner

  • Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH

Weitere Informationen

Publikationen

  • Kurzinformation zum Projekt
  • Loga, Tobias; Swiderek, Stefan; Grafe, Michael:
    Modellprojekt Energieverbrauchsbenchmarks. Soll-/Ist-Vergleich des Energieverbrauchs zur Evaluierung und Steigerung der Effizienz von Energiesparmaßnahmen im Praxisalltag eines Wohnungsunternehmens.
    — 164 S.; Darmstadt: IWU, 2020.

    PDF
    ISBN 978-3-941140-65-3

Vorträge

Tagung: „Minimierung des Energieverbrauchs von Geschosswohnbauten – Technologien, Benchmarks und Monitoring“ am 15.05.2019 in Darmstadt

  • Loga, Tobias (2019):
    Monitoring des energetischen Zustands und vereinfachte Bedarfsberechnung auf der Grundlage der "Energieprofil"-Indikatoren.

    Vortrag

  • Repp, Monika; Loga, Tobias (2019):
    Modellprojekt Energieverbrauchsbenchmarks: Datengrundlagen und Ergebnisse.

    Vortrag

  • Loga, Tobias (2019):
    Transparenz auf dem Weg zur Erreichung der Klimaschutzziele - Monitoring der energetischen Qualität und des tatsächlichen Verbrauchs.

    Vortrag

  • Loga, Tobias; Repp, Monika; Swiderek, Stefan (2020):
    Verbrauchsbenchmarks – ein Soll-Ist-Vergleich für Wohnungsunternehmen.

    — Beitrag zur 12. EffizienzTagung Bauen+Modernisieren 2020 (13. + 14.11.2020, Online-Tagung).

    Tagungsbeitrag
    Folienvortrag
    Tagungsvideo (Full HD, 678 MB)
    Website der Tagung

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