Wärmepumpen-Praxis im hessischen Wohngebäudebestand
Ausgangslage
Neben der Wärmedämmung der Gebäude kommt auch der Wärmeversorgung über elektrische Wärmepumpen eine Schlüsselrolle zur Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudebestand zu. Begründet ist dies in der Fähigkeit der Wärmepumpen durch die effiziente Stromverwertung auch die brennstofffreien regenerativen Energieträger Sonne und Wind für die Wärmeversorgung nutzbar zu machen. Vor allem die Fähigkeit zur Windstromnutzung ist aufgrund des überwiegend im Winterhalbjahr vorliegenden Heizwärmeverbrauchs von entscheidender Bedeutung.
Im Gebäudebestand stellt die verstärkte Einführung von Wärmepumpen, die aktuell nicht zuletzt beim Ersatz von Ölheizungen im ländlichen Raum diskutiert wird, eine besondere Herausforderung dar: Die Heizleistungen, Wärmeverbräuche und Vorlauftemperaturen sind bei nicht modernisierten Gebäuden höher als bei gut gedämmten Gebäuden bzw. im Neubau. Insbesondere das höhere Temperaturniveau hat negative Auswirkung auf die Effizienz der Wärmepumpen. Vor diesem Hintergrund haben Wärmepumpen im Gebäudebestand – anders als im Neubau – bisher noch keine relevanten Marktanteile erreichen können. Die verstärkte Praxiseinführung der Wärmepumpen im Bestand erscheint also einerseits aus Klimaschutzgründen notwendig, muss aber andererseits mit der entsprechenden Vorsicht, d. h. mit gegebenenfalls besonders angepassten Konzepten erfolgen (z. B. bivalente Wärmepumpe kombiniert mit Heizkessel), damit negative Entwicklungen vermieden werden.
Ziele
Vor diesem Hintergrund verfolgt das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Wärmepumpen-Praxis im hessischen Wohngebäudebestand“ das Ziel, aufgrund von Erfahrungen aus realisierten Vorhaben mit Wärmepumpen in hessischen Bestands-Wohngebäuden generelle und praxisnahe Empfehlungen für den Wärmepumpeneinsatz im Gebäudebestand zu erarbeiten. Insbesondere sind folgende Bausteine vorgesehen:
- Untersuchung unterschiedlicher Möglichkeiten und Ausführungsvarianten zu Wärmepumpen im Bestand bezüglich Kosten, Effizienz und Treibhausgasemissionen.
- Beobachtung der Praxis beim Wärmepumpeneinbau im Bestand anhand einer Stichprobe hessischer Wohngebäude mit Befragung von Hauseigentümern und Energieberatern sowie der Auswertung von Jahresverbräuchen und Sanierungsfahrplänen.
- Erarbeitung von Empfehlungen und Konzepten für den Einsatz von elektrischen Wärmepumpen im Wohngebäudebestand.
Ergebnisse
In einer zweijährigen Feldphase wurden 48 Wohngebäude mit Wärmepumpenanlagen untersucht. Dabei handelte es sich überwiegend um Ein- und Zweifamilienhäuser, von denen 19 % vor 1949, 33 % zwischen 1949 und 1978 und 48 % zwischen 1979 und 1994 errichtet wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Wärmepumpen auch in älteren Gebäuden mit konventionellen Heizsystemen zuverlässig und effizient arbeiten können. Die Jahresarbeitszahlen (JAZ) lagen für Luft-Wasser-Wärmepumpen bei Heizkörpern im Mittel bei 3,1, mit Fußbodenheizungen bei 3,7. Erdreich-Wärmepumpen erzielten mit durchschnittlich 4,7 die höchsten Werte. Besonders positiv wirkten sich niedrige Vorlauftemperaturen und der Austausch einzelner Heizkörper zur Absenkung der Vorlauftemperatur auf die Effizienz aus.
Die Kostenanalyse auf Basis von 39 Anlagendatensätzen ergab durchschnittliche Gesamtkosten von rund 30.100 Euro. Luft-Wasser-Wärmepumpen lagen bei etwa 29.700 Euro, Erdreichanlagen bei 27.500 Euro (ohne Quellenerschließung) und bivalente Systeme bei rund 34.300 Euro. Zwischen 2017 und 2023 stiegen die mittleren Anlagenkosten um etwa 6.000 Euro. Unterschiedliche Installationsbedingungen, Elektroarbeiten und zusätzliche Maßnahmen wie der Heizkörpertausch beeinflussten die Gesamtkosten erheblich.
Die begleitende Befragung der Eigentümerinnen und Eigentümer zeigte ein hohes Maß an Zufriedenheit: Rund 90 Prozent sind mit Funktion und Betrieb ihrer Wärmepumpen zufrieden. Entscheidende Beweggründe für den Umstieg waren Klimaschutz, Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Möglichkeit, die Wärmepumpe mit einer Photovoltaikanlage zu kombinieren. Kurzfristige wirtschaftliche Aspekte standen nicht im Vordergrund.
Gleichzeitig wurden Optimierungspotenziale identifiziert: Nur bei rund 60 Prozent der Anlagen wurde eine Heizlastberechnung durchgeführt, und bei etwa der Hälfte erfolgte ein hydraulischer Abgleich. Häufig fehlten zudem eine ausreichende Einweisung in die Bedienung sowie eine intuitive Steuerung der Anlagen. Funktionen zur Eigenstromverwendung oder zu dynamischen Stromtarifen blieben weitgehend ungenutzt.
Vor-Ort-Untersuchungen einzelner Anlagen zeigten, dass durch angepasste Heizkurven, optimierte Warmwasserzeiten und eine bessere Dämmung der Rohrleitungen weitere Effizienzsteigerungen möglich sind.
Das Forschungsvorhaben belegt, dass Wärmepumpen auch im Gebäudebestand ein tragfähiger Bestandteil der Wärmewende sind. Entscheidend für einen effizienten Betrieb sind eine sorgfältige Planung, qualifizierte Installation. Praxisnahe Schulung des Fachhandwerks helfen die vorhandenen Effizienzpotenziale vollständig auszuschöpfen.
Zudem wurde in zwei Szenarien zur Energiepreisentwicklung die Wirtschaftlichkeit der Modernisierung von Ölheizungen zu Wärmepumpenanlagen bei einem Einfamilien- und einem Mehrfamilienhaus untersucht.
Die Untersuchungen im Gesamtenergiesystem zeigen, dass der frühzeitige Einsatz von Wärmepumpen auch in unsanierten Gebäuden zu einer deutlichen Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen kann und zugleich Lock-in-Effekte durch erneute Heizkesselinvestitionen vermeidet. Systemanalysen unter zukünftigen Stromerzeugungsbedingungen mit hohen Anteilen fluktuierender erneuerbarer Energien verdeutlichen zudem, dass pauschale CO₂-Emissionsfaktoren für Strom häufig keine sachgerechte Bewertungsgrundlage mehr darstellen und dass bivalente Wärmepumpensysteme im Gesamtsystem ähnlich vorteilhaft abschneiden können wie monovalente Systeme.
Bearbeitungszeitraum
Februar 2022 - Oktober 2025
Projektteam
Kontakt
Marc Großklos
06151 2904-47
m.grossklos(at)iwu(dot)de
Fördermittelgeber
- Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen
Software-Partner
- ZUB Helena
Ergebnisse
Broschüre für Hauseigentümer
Swiderek, Stefan; Großklos, Marc, Behem, Guillaume (2025).
Wärmepumpen für bestehende Wohngebäude
— 12 S.; Darmstadt: Institut Wohnen und Umwelt.
Berichte
Swiderek, Stefan; Diefenbach, Nikolaus; Behem, Guillaume; Großklos, Marc (2025).
Wärmepumpen-Praxis im hessischen Wohngebäudebestand
Endbericht des Forschungsvorhabens
— 295 S.; Darmstadt: Institut Wohnen und Umwelt.Großklos, Marc; Behem, Guillaume; Diefenbach, Nikolaus, Swiderek, Stefan (2023).
Recherchen und Analysen zur Wärmeversorgung von Bestandsgebäuden mit Wärmepumpen.
Zwischenbericht (Arbeitspapier) für das Forschungsvorhaben „Wärmepumpen-Praxis im hessischen Wohngebäudebestand“
— 107 S.; Darmstadt: Institut Wohnen und Umwelt.
Fachartikel
Swiderek, Stefan; Großklos, Marc; Diefenbach, Nikolaus; Behem, Guillaume (2025).
Gut investiert?
Gebäude-Energieberater, (3), 56–61.
Swiderek, Stefan; Großklos, Marc; Diefenbach, Nikolaus; Behem, Guillaume (2025).
Pumpe statt Kessel.
Gebäude-Energieberater, (2), 24–29.
Behem, Guillaume; Großklos, Marc; Diefenbach, Nikolaus; Swiderek, Stefan (2024).
Das Eine geht nicht ohne das Andere.
Gebäude-Energieberater, (3), 8–14.
Vorträge
Großklos, Marc (5.10.2023).
Konzepte für Wärmepumpen im Bestand. Ergebnisse einer Studie des IWU.
— 20. Hessischer Energieberatertag 2023, Frankfurt a. M., 5.10.2023.Behem, Guillaume; Großklos, Marc; Diefenbach, Nikolaus; Swiderek, Stefan (10. – 12.3.2023).
Wärmepumpen in teilsanierten Bestandsgebäuden – der richtige Weg zur Energiewende?
— 26. Internationale Passivhaustagung 2023, Wiesbaden, 10. – 12.3.2023.