Anforderungen an energieeffiziente und klimaneutrale Quartiere (EQ)  und  Erweiterte Bilanzierung von Energie­verbrauch und CO2-Emissionen auf Quartiersebene (EQ II)

Ausgangslage

Klimaneutrales Quartier mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge im lokalen Verbund (Quelle: EWG Dresden eG - mit frdl. Genehmigung)

Ziel des Bundesbauministeriums ist ei­ne Integration der Energie- und Klima­­schutz­­frage auch in die Städtebau­för­derung und den dort verfolgtem Quar­tiersansatz. Die Betrachtung des The­mas Energieein­spa­rung und Energie­ver­sorgung auf der Quartiersebene ist an sich nicht neu. Zur Dimensionierung von Fernwärmenetzen spielt die Ermittlung des quartiers­spe­zifischen Wärmebedarfs bereits traditionell eine Rolle. Im Zuge der energetischen Sa­nierung sowie des Einsatzes erneuerbarer Energien fand der Quartiersansatz zu­nächst bei Großwohnsiedlungen Berücksichtigung. Nun hat die Bundesregierung mit dem KfW-Programm Energetische Stadtsanierung ein eigenes Förderprogramm aufgelegt, welches über die Förderung der Erstellung von energetischen Quartierskonzepten und von so genannten Sanierungsmanagern die Vernetzung und Entscheidungsunterstützung insbesondere auch in Quartieren mit verteiltem Privateigentum verstärkt.

Ziele

Ziel der ersten ExWoSt-Studie (2011-2013) war es, in sieben Städten und Gemeinden Quartiere und deren Energiekonzepte zu untersuchen und auf dieser Basis eine Mess- und Erhebungsmethodik zu erstellen, die eine Quantifizierung des Energiebedarfs bzw. -verbrauchs auf der Analyseebene Quartier ermöglicht und dabei auf Erfahrungen aus den Bewertungsebenen Gebäude und Stadt / Region zurückgreift. Dabei wurde der Integration des Verkehrs besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Berechnungsmethode wurde parallel als Excel-Arbeitsmappe erstellt und in der kommunalen Praxis getestet. 

Die zweite Studie „Erweiterte Bilanzierung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen auf Quartiersebene“ (EQ II, 2015 - 2016) zielt nun auf eine Weiterentwicklung des Bilanzie­rungstools. Zum einen soll die Berechnungsmethodik anwenderfreundlicher gestaltet werden, so dass das Nachvollziehen von Rechenschritten leichter fällt – sowohl für die Zielgruppe der Anwender des Tools selbst, als auch für die zahlreichen Bilanzierer mit eigenen Methoden auf der Suche nach Anregungen und fachlichem Austausch. Zum anderen soll die Bilanzierungsmethodik inhaltlich weiterentwickelt werden.

Vorgehen

Aufgabe einer energetischen Bilanzierung auf Quartiersebene ist es, Maßnahmen und Entwicklungsszenarien auf Quartiersebene vergleichend zu bewerten. Die erste Studie stellte deshalb die Referenztools EFES aus Österreich, ECORegion, Energetischer Plausibilitätscheck, GemEB-Tool und das EnEff:Stadt-Bilanzierungstool vor. In der zweiten Studie werden die aktuellen Versionen dieser Tools (sowie zusätzlich das Projekt UrbanReNet, das Tool District-ECA, der ifeu-Klimaschutzplaner und das bisherige EQ-Tool selbst) systematisch verglichen. Eine Sonderpublikation hierüber verschafft ein Überblick über die aktuelle Bilanzierungslandschaft.

Die erste Studie stellte daraufhin auf der abstrakten Ebene die Arbeitsschritte bei der energetischen Quartiersbilanzierung dar. Daraufhin wurde die eigene Bilanzierungs­methodik vorgestellt, welche parallel in der erstellten Excel-Arbeitsmappe dokumentiert ist. Mit der vorgestellten Bilanzierungsmethodik steht Kommunen und deren Beratern eine Grundstruktur für eine Quartiersbilanzierung zur Verfügung, so dass nicht jede Kommune damit von vorne anfangen muss. Dies ersetzt aber keine Detailberechnungen von Son­derfragen vor Ort. In der zweiten Studie erfolgt hier nun eine inhaltliche Weiterentwicklung. Sie umfasst insbesondere eine Fortschreibung der Datengrundlagen, eine bessere Trennung in Wohngebäude, kommunale und sonstige Nichtwohngebäude, eine Er­wei­terung der Grafikausgaben sowie eine grobe Berücksichtigung von Kosten.

Mit den Modellquartieren Leipzig-Connewitz, Marburg-Nordstadt, Rosenheim-Finsterwalder Straße, Stade-Hahle und Weißenfels-Alte Sparkasse sowie den neu aufgenommenen Pilotquartieren Sömmerda-Gartenberg und Naumburg-Südöstliche Altstadt wurden in der ersten Studie sieben Quartiere untersucht, die bereits in anderem institutionellen Kontext Erfahrung mit der Arbeit auf Quartiersebene haben. Teil des Konzepts war es schließlich, den Stand der energetischen Stadtsanierungen in den Kommunen zu bewerten und auf dieser Basis Schlussfolgerungen für die Eignung und Ausgestaltung des Steue­rungs­instruments energetisches Quartierskonzept zu ziehen. In der zweiten Studie soll nun das weiterentwickelte EQ-Tool mit Modellanwendern getestet werden.

Ergebnisse

Der Quartiersbezug ist bei unterschiedlichen energetischen Maßnahmen unterschiedlich stark ausgeprägt. Die energetische Gebäudesanierung wird bspw. in erster Linie durch die Verfügbarkeit von Technologien, ihre Wirtschaftlichkeit und die Entscheidung jedes Eigentümers beeinflusst – der Quartiersbezug ist eher indirekt. Bei Wärmenetzen liegt der Quartiersbezug unmittelbar auf der Hand. Quartierskonzepte leisten somit einen Zusatzeffekt v. a. in den beiden folgenden Bereichen:

  • Eine konkret auf die Bau- und Eigentümerstruktur abgestimmte Strategie ermöglicht es, effiziente Ansätze zu wählen, zu denen auch Wärmenetze unterschiedlicher Größe zählen. Dies betrifft insbesondere Bereiche, in denen die Potenziale bspw. durch Gebäudedämmung begrenzt sind. Der begrenzte räumliche Umgriff ermöglicht auch gebietsbezogen sinnvolle rechtliche Regelungen, die übergreifend so nicht möglich wären. Für diese Strategiebildung steht im KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“ die Förderung der Konzepterstellung.
  • Die Sanierung ganzer Quartiere ermöglicht Synergien zwischen den Akteuren und eröffnet ein öffentlichkeitswirksam wahrnehmbares Zeitfenster, in dem Einzeleigentümer wie Gebäudeeigentümer vom ganzen Sanierungsprozess, aber auch von einzelnen Nachbarn, lernen können, Hemmnisse überwinden und zusätzlich motiviert werden. Für diese Vernetzung steht im oben genannten KfW-Förderprogramm der Sanierungsmanager.

Konfliktpotenzial bietet die Energetische Stadtsanierung jedoch bei den Fragen Gebäu­desanierung versus Sozialverträglichkeit, Dämmung versus Baukultur und Steigerung der Gebäudeeffizienz versus Wärmebedarfsdichte für Fernwärme.

Zentrales Ergebnis der Maßnahmenevaluierung war es, dass weiterer Forschungsbedarf insbesondere bei Analyse der Wirkung von ökonomischen und rechtlichen Steue­rungs­instrumenten besteht. Nur mit dieser empirischen Fundierung kann eine Modellierung des Energieverbrauchs in der Bewertungsmethodik fundiert abgebildet werden.

Die Analyse der Modellquartiere zeigte u. a., dass die Kommunen die Herausforderungen der energetischen Stadtsanierung erkannt haben, besondere Probleme bei der Ansprache von Einzeleigentümern sehen und teilweise bereits über Ansätze in der Bilanzierung von Quartieren verfügen.

Die daraufhin erstellte Bilanzierungsmethodik ist als Excel-Mappe in einer Arbeitsversion verfügbar.  Angelehnt an Energie- und CO2-Bilanzierungsmethoden für Städte und Kom­munen (Klima-Bündnis) werden dabei auf der Quartiersebene der End- und Primär­energieverbrauch sowie die jeweils dazugehörigen CO2-Emissonen berechnet. Als Basis dienen die leitungsgebundenen Energieträger; die restlichen Energieträger berechnen sich aus dem vorhandenen Gebäudebestand und bundesweiten Mittelwerten. Wohngebäude werden separat ausgewiesen. Der im Quartier erzeugte Strom wird anteilig nach seinen Emissionen in Abzug gebracht. Der Verkehr wird unter Nutzung statistischer Auswertungen aus der Primärerhebung Mobilität in Deutschland (MiD) aus Raum- und Quar­tiers­typologie sowie Demografiedaten über Tagesweglängen und verkehrsleistungsbezogenem Modal Split (dem Anteil der Verkehrsmittel an der Tageswegelänge) berechnet.

Das hinterlegte Gebäudemodell nutzt die Gebäudehüllflächen (z. B. aufbereitete Daten aus GIS) und berechnet über die Zuordnung zur IWU-Gebäudetypologie und den darin enthaltenen nach Bauteilen und Altersklasse vorkonfigurierten Werten für jedes Gebäude einen für die Bauzeit typischen Energiebedarf (grober Ansatz). Alle so erzeugten Werte können mit exakten Werten, wenn bekannt, überschrieben werden (verfeinerter Ansatz). Darauf aufbauend erfolgen die Berechnung von Einsparpotenzialen (Zielwert bei kon­se­quenter Sanierung des gesamten Wohngebäudebestandes auf Basis der EnEV 2009) im Vergleich zu klimabereinigten Verbrauchswerten und die Berechnung von Szenarien bis 2020. Für letztere können u. a. Veränderungen in der Demografie, jährliche Sanie­rungs­raten, Wechsel bei den Energieträgern und Ausbau der regionalen Stromproduktion vorgegeben werden.

Ein Merkmal des Tools besteht darin, dass eine Quartiersbilanzierung abhängig von der Datenverfüg­barkeit sowohl eher grob als auch detailliert mit höherer Genauigkeit vor­ge­nommen werden kann. Eine Besonderheit, des Tools besteht darin, dass die Startbilanz auf Bilanzierungsregeln und Verbrauchsdaten beruht, die mit Ausnahme des Verkehrs kon­sistent ist zu großräumigeren, auf den Regeln des Klimabündnisses beruhenden Energie- und CO2-Bilanzen. D. h. die Summe aller deutschen Quartiere entspricht dem Gesamt­verbrauch und den Emissionen Deutschlands, sobald dort jeweils nach den gleichen Regeln bilanziert wird.

Bearbeitungszeitraum

2011 - 2013, 2015 - 2016

Projektteam

Kontakt

Dr. Thilo Koch
06151 2904-35
t.koch(at)iwu(dot)de

Auftraggeber

  • Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Partner im ersten Projekt

  • Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (DSK), Christof Brandis
  • Steteplanung, Gisela Stete
  • Verkehrslösungen Blees, Dr. Volker Blees

Partner im zweiten Projekt

  • Prof. Dr. Volker Blees

Weitere Informationen

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